Die wissenschaftlich-technische Dimension von Licht ist jedem geläufig. Seine Bedeutung als Kulturphänomen wird häufig vernachlässigt. Die Kommunen sind gut beraten, die Themen Stadtidentität und Architektur als Aufgaben der Lichtplanung zu begreifen.
Licht und der Umgang mit Lichtquellen tragen maßgeblich zum Erscheinungsbild unserer Städte und Gemeinden bei. Licht beeinflusst, auf welche Weise Orte wahrgenommen und genutzt werden. Jede Stadt hat etwas, das ihre Identität ausmacht. Es liegt nahe, dass auch und gerade die städtische Beleuchtung darauf abgestimmt sein sollte.
Viele positive Beispiele zeigen, dass einige Städte andere ohne eine gezielte und ganzheitliche architektonische Lichtplanung buchstäblich „im Dunkel“ stehen lassen. Eine erhöhte Sensibilisierung für das Thema Licht und gewachsene Erwartungshaltung in der Bevölkerung sowie bei Touristen führen vielerorts zu einem Umdenken in Politik und Verwaltung: Licht ist mehr als nur eine wissenschaftlich-technische Erscheinung; Licht ist vielmehr auch ein Kulturphänomen, entscheidend für die Attraktivität und den Erfolg einer Stadt.
Eine Investition in die Beleuchtung des öffentlichen Raumes ist erst dann wirklich effizient, wenn neben der optimalen Funktionssicherung auch die Attraktivität des öffentlichen Raumes gesteigert, die Energiekosten gesenkt, die Sicherheit erhöht und die Lichtverschmutzung reduziert werden können. Die Nachhaltigkeit von Licht und Beleuchtung im städtischen Raum zu gewährleisten, darf nicht nur aus ökonomischer Sicht betrachtet werden, sondern erfordert die Berücksichtigung von Identitätsmerkmalen einer Stadt: Wie kann der jeweilige Ort das Licht (die Leuchten) aufnehmen? Wie funktioniert eine moderne Lösung im Einklang mit der Tradition des Ortes? Wo leuchten Orte zu hell, zu dunkel, zu bunt? Wo muss die Beleuchtung reduziert oder erweitert werden? Wo ist es sinnvoll, eine sachlich-kühle oder eine besinnlich-warme Lichtstimmung anzubieten? Durch eine Stadt muss der Mensch sich abends mittels Lichts leiten lassen, der Weg sollte intuitiv abgelaufen werden können.
Masterplan weist den Weg
Auch identitätsbildende architektonische Merkmale, besondere historische Bauwerke oder Objekte sollten „ins rechte Licht“ gesetzt werden. Verkehrswege, die sicher in zügigem Tempo nutzbar sein, Wege zum Flanieren und Räume, die zum Verweilen einladen sollen, brauchen ein ihrer Funktion und ihrem Charakter entsprechendes Licht.
Moderne Beleuchtungsanlagen benötigen nicht nur die Festlegung des Leuchtmittels mit der passenden Steuerungssoftware, Lampenfassungen, Reflektoren und Verkabelung, sondern ebenso relevant ist eine Betrachtung von architektonischer Gestaltung, Mast und Statik. Lichtfarbe und Helligkeit müssen mit der städtebaulichen Umgebung vor Ort und den umgebenden Materialien harmonieren. Auch weiche Faktoren spielen eine Rolle. Wird Lebendigkeit oder Ruhe gefördert? Wird der Charakter des Ortes gestärkt oder geschwächt?
Die Entwicklung zu qualitätsvollem, guten Licht in der Stadt beginnt im Optimalfall mit einem durch einen unabhängigen Planer erarbeiteten Lichtmasterplan. Darin werden die grundsätzlichen Gestaltungsprinzipien, -prämissen und -prioritäten bei der Beleuchtung einer Stadt geklärt und für den mittel- und langfristigen Entwicklungs- und Gestaltungsprozess eine solide Grundlage geschaffen. Die Kriterien werden zuvor mit einem fachübergreifenden Team erarbeitet, in dem auch zuständige Fachämter für Beleuchtung im öffentlichen Raum beteiligt sein sollten wie Stadtplanungs-, Tiefbauamt und Stadtmarketing.
Das Ergebnis des Lichtmasterplans ist die Lichtvision einer Stadt, auf welche die langfristige Entwicklungsperspektive ausgerichtet wird. Ausgehend von einer Analyse der Bestandssituation werden dafür Strategien entwickelt und Maßnahmen abgeleitet, die zur Erreichung einer urbanen Lichtkultur führen. Diese umfassen städtebauliche und stadtentwicklungsbezogene Themen (belebte Bereiche in Einklang mit ruhigen Zonen), haushalterische Fragen (Investitionskosten, Betriebskosten für Energie und Wartung) wirtschaftliche Überlegungen (Handel, Tourismus, Finanzierungs- und Beteiligungsmodelle) und Maßnahmen zur Einbindung der Öffentlichkeit.
Ebenfalls Beachtung findet die unterschiedliche Nutzung und Wahrnehmung des öffentlichen Raumes während der Jahreszeiten. Die Entwicklung der Technologie in den vergangenen Jahren hat Möglichkeiten und Aufgaben einer Planung wesentlich erweitert: Es geht heute um weit mehr als nur um Licht „an“ oder „aus“.
Zu bedenken ist auch, dass die künstliche Beleuchtung der Stadt tagsüber nicht genutzt wird, Lichtmasten und Leuchten jedoch als „notwendiges Übel“ oder schmückendes Objekt sichtbar bleiben. Beispiele zeigen, dass anspruchsvolle Städte für ihre repräsentativen Orte attraktive, individuell gestaltete Lösungen finden, die daran anknüpfen oder wieder entdecken, was bereits vor rund 100 Jahren alltäglich war: Straßenleuchten, die als guss- oder schmiedeeiserne Kunstwerke auch bei Tageslicht europäische Marktplätze zierten.
Ruairí O’Brien
Der Autor
Ruairí O’Brien ist freier Architekt und Lichtplaner in Dresden
http://www.gemeinderat-online.de/index.php?id=683
Wednesday, April 24, 2013
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