Einmal im Jahr
treffen sich Städte, Kommunen, Gemeinden, Regionen und Bundesländer aus ganz
Deutschland und dem Ausland mit inländischen und ausländischen Investoren und Vertretern
der Immobilienwelt in München zur Expo Real. Wie in jedem Jahr knüpft die Expo
Real auch diesmal wieder an das weltbekannte „Oktoberfest“ an und startet, wenn
dieses zu Ende geht. Das bedeutet, dass in der Stadt München eine überwiegend
heitere Stimmung vorherrscht, wenn man am Sonntag ankommt. Nachteilig wird
diese Überschneidung der „Wies’n“ und der Expo aber bei der Suche nach einem
Hotel. Ich bekam nur noch am Stadtrand ein Zimmer in einer Pension, in
unmittelbarer Nachbarschaft eines Zeltplatzes, was die Fahrtzeiten zur und von
der Messe erheblich verlängerte; auch waren meine „Mitbewohner“ eher „Wies’n“-Besucher
als Messebesucher, das verriet mir nicht zuletzt die Rückkehr der Gäste mit
lautem Gesang am Sonntagabend und der völlig leere Frühstücksraum am nächsten Morgen.
Im
Gespräch mit Vertretern aus München habe ich später erfahren, dass man
eigentlich spätestens im Frühsommer buchen soll, um eine passable Unterkunft zu
bekommen. Mein Tipp: bucht frühzeitig, vielleicht schon im Frühjahr.
Am Montag,
dem ersten Tag der Messe, treffen sich dann die Politiker, Bürgermeister und
„Strippenzieher“/ auf Neudeutsch „Spin Doctors“. Architekten sind auf der Messe
sowieso omnipräsent in Form ihrer gebauten Werke. Jeder Messeteilnehmer wirbt
für seinen Landkreis, seine Gemeinde oder sein Stadtviertel anhand von
Projekten mit der Leistung unserer Mitglieder. Die Architektur steht in Form
von Bauobjekten und Immobilien dabei immer im Vordergrund, der Architekt selber
mit seinem Fleiß, Talent und Engagement leider zu oft im Hintergrund. Das muss
man immer wieder ansprechen. Eine unendliche Geschichte. Umso wichtiger ist es,
auf so einem „Marktplatz“ präsent zu sein.
Das Bundesland
Sachsen hatte einen großen Stand unter dem diesjährigen Motto „So geht sächsisch.“, welches
gleichzeitig den Start einer bundesweiten Werbe-Kampagne kennzeichnete. Als
Mitglied des Vorstandes der Architektenkammer Sachsen habe ich die Aufgabe, die
Verbindung unseres Berufs mit unserem sächsischen Messeauftritt zu pflegen. Das
geht schon früh im Jahr los und „Nach dem Spiel ist vor dem Spiel“, wie man
sagt. Sobald die Expo vorbei ist, wird man schon gefragt, wie der Auftritt im
nächsten Jahr gemacht werden soll. Man trifft sich im Ministerium und
diskutiert, wie die Resonanz des letzten Auftritts war und überlegt ein mögliches
Motto für das nächste Mal.
Eine Messebeteiligung
ist mit immer auch mit Geld verbunden. Je mehr man zahlt, umso mehr Platz in
Form eines Standes mit Werbefläche kann man bekommen oder man erhält die
Möglichkeit zur Teilnahme an einem Podiumsgespräch oder kann einen Vortrag
halten. Obwohl wir als Kammer im Vergleich zum Ministerium oder großen
öffentlichen Unternehmen wie SIB, Stesad oder der SAB keinen großen finanzielle Beitrag leisten können,
bin ich dennoch der Meinung, dass die Architekten an dieser Messe teilnehmen
müssen, um auf diesen Marktplatz und den Forum-Charakter des Länderauftritts
ein stückweit Einfluss nehmen zu können.
Trotz
unseres relativ kleinen Budgets habe ich es in diesem Jahr mit dem Ministerium
und dem Standgestalter VAVONA organisieren können, dass wir Architekten auf dem
Messestand Sachsens eine kleine „Haltestelle“ mit unserem Logo bekommen haben.
Damit hatten wir einen festen Ort, von dem aus die Vertreter der Kammer Auskunft
an die Laufkundschaft geben konnten. Unsere begehrten Kalender habe ich an den
einen oder anderen fachinteressieren Besucher gegen Visitenkarten eingetauscht,
die wir jetzt in unsere Adressdatenbank einfügen können.
Auch unser
Präsident, Herr Furkert, war auf der Messe präsent und konnte in lockerer
Atmosphäre viele Gespräche mit Vertretern der Politik führen.
Man nutzt
die Zeit auf der Messe aber auch, um andere Kammerauftritte zu besuchen und
einen Austausch über aktuelle Themen wie Öffentlichkeitsarbeit, die Tätigkeit
der Berufskollegen oder zum Beispiel auch über unser Büroverzeichnis zu
sprechen. Es ist hilfreich, wenn man mitbekommt, dass Letzteres ein Thema ist, das
in allen Bundesländern heiß diskutiert wird und man besondere Geduld an den Tag
legen muss, ein solches Verzeichnis auf den richtigen Weg zu bringen. Das
inspiriert und gibt Kraft.
Weiterhin
gehören natürlich Vorträge zu jedem Messeprogramm. Dieses Jahr hat unsere Kollegin,
Frau Nadine Merkla, einen sehr informativen Fachvortrag zu einem hochaktuellen
Thema gehalten: „Vergleich LEED und DGNB“ am Beispiel des Bauprojektes Neubau Bürogebäude
der VON ARDENNE GmbH, dass Sie mit den Kollegen Herrn Martin Fink und Herrn
Björn Griemberg von der IPROconsult Gmbh geplant hat. Darin wurde unsere Kompetenz gegenüber der Bau-Szene
sehr deutlich.
Ich selbst
habe einen Fachvortrag zum Thema „Einfamilienhaus und Stadt“ gehalten, zum
Verhältnis von Stadt/urbanem Raum und Einfamilienhäusern. Menschen wollen heute
wieder verstärkt in der Stadt wohnen (Freizeit, Kulturangebote nutzen,
Dienstleistungsnähe). Dennoch sind ihnen Selbstbestimmtheit und individueller
Lebensstil wichtig, was seinen Ausdruck auch in ihrer unmittelbaren baulichen
Umgebung finden soll. Und sie wollen nach wie vor gern ihre eigenen vier Wände.
Die Stadt bietet dafür eingeschränkten Raum – z. B. Ecken, kleine Flächen,
schwierige Profile, Restgrundstücke.
Um beide
Seiten miteinander zu vereinen, müssen passende individuelle bauliche Antworten
gefunden werden. Das macht das Einfamilienhaus in der Stadt ganz klar zu einem
Thema vorrangig für uns Architekten. Im ersten Teil des Vortrages habe ich erläutert,
wie Städte sich entwickeln und angesprochen, dass Städte als Gesamtwerke
betrachtet werden können, die von ihrer Vielfalt
leben und in diesen Sinne für eine moderne pluralistische Gesellschaft auch eine
Vielfalt an Wohnmöglichkeiten anbieten müssen, auch Einfamilienhäuser. Diese
allerdings mit städtischem Charakter; kein vom Bauträger gebautes Landhaus oder
ein bayerisches Fertighaus. Dabei sind
Architekten, Stadtplaner, Investoren und Politiker gefragt, zusammen zu agieren.
Wie sind
die individuellen Bedürfnisse einzelner Menschen oder Familien vereinbar mit
beschränktem Raum bzw. mit Grundstücken, auf denen eine
Standard-Investorenlösung nicht möglich ist? Wie gehen wir damit um, dass
Familien sich im Wandel der Generationen verändern? Gefragt sind
vorausschauende Lösungen, Architektur, die flexible Anpassungen ermöglicht.
Hierbei geht es auch um die Frage des Wiederverkaufswertes der Häuser und nicht
zuletzt um die Revitalisierung von Brachflächen und die Entwicklung von
Einzelgrundstücken oder Ensembles im städtebaulichen Zusammenhang, so dass am
Ende die Stadt und der Einzelne davon profitiert. Auch der Individual-Verkehr
ist hierbei ein ganz großes Thema. Welche Lösungen gibt es? Was sind die Alternativen?
Interessant
und lehrreich ist die Erkenntnis, dass wir als Architektengemeinde mit unserer
Sicht der Dinge manchmal zu passiv sind. Wir glauben, dass ein Verständnis für Baukultur
eine Selbstverständlichkeit ist, dass wir führend sind in der Umsetzung und an der
zentralen leitenden Stelle sitzen. Aber die Realität tritt auf solch einer Messe
sehr deutlich zu Tage: Die Immobilienwelt, die Investoren planen und bauen ohne
uns Architekten, wenn wir ihnen das Feld überlassen. Wir sind nur ein kleiner Teil
ihrer Welt. Sie bauen weiter mit und/oder ohne uns. Das ist jedes Mal erschreckend
und ernüchternd, aber es ist realistisch.
Umso
wichtiger ist es an dieser Stelle auf die Menschen zuzugehen und Lobbyarbeit zu
betreiben, die uns ins Gespräch bringt. Die Botschaft muss sein: Wir sind
wichtige Partner für die Bürger, Politiker und Investoren.
Zum
Beispiel mit neuen Dienstleistungen wie LEED, aber auch mit unserer Kreativität,
schwierige Grundstücke/ innerstädtische Brachflächen umzuwandeln, mit unseren sozialen
Kompetenzen, unserer Weitsicht, Ökologie und Qualität betreffend, unserer
visionären, aber pragmatischen Denk- und Arbeitsweise sowie unseren menschlichen
und baulichen Qualitäten. Städte und Gemeinden brauchen uns, Bauherrn und Investoren
brauchen uns. Auch wenn sie oft ohne uns agieren, weil sie nicht ausreichend
informiert sind, wo wir uns einbringen können, z. B. innerhalb der an Bedeutung
zunehmenden „Phase 0“, als Vermittler
und Aufklärer in Bezug auf die Vorhaben und was es Nutzern, Bürgern und
Politikern für Vorteile bringen könnte, uns frühzeitiger und breiter zu
involvieren. Bauen ist heute viel mehr, als
Stein auf Stein zu setzen. Bauen ist Kommunikation, im weitesten und
tieferen Sinne des Wortes.
Diese Art Lobbyarbeit
für den Beruf bringt nicht sofortige Wirkung. Aber es ist mittel- bis
langfristig enorm wichtig, unsere Präsenz auf dem „Marktplatz“ zu bewahren, um unsere
Arbeit für die Zukunft und für die nachkommenden Generationen zu erleichtern. Wenn
wir das nicht tun, baut die Bau-Szene ohne uns weiter.