Friday, October 17, 2014

Die Architektenkammer Sachsen präsentiert sich auf der Expo Real München 2014 - Ein Bericht von Ruairí O’Brien



Einmal im Jahr treffen sich Städte, Kommunen, Gemeinden, Regionen und Bundesländer aus ganz Deutschland und dem Ausland mit inländischen und ausländischen Investoren und Vertretern der Immobilienwelt in München zur Expo Real. Wie in jedem Jahr knüpft die Expo Real auch diesmal wieder an das weltbekannte „Oktoberfest“ an und startet, wenn dieses zu Ende geht. Das bedeutet, dass in der Stadt München eine überwiegend heitere Stimmung vorherrscht, wenn man am Sonntag ankommt. Nachteilig wird diese Überschneidung der „Wies’n“ und der Expo aber bei der Suche nach einem Hotel. Ich bekam nur noch am Stadtrand ein Zimmer in einer Pension, in unmittelbarer Nachbarschaft eines Zeltplatzes, was die Fahrtzeiten zur und von der Messe erheblich verlängerte; auch waren meine „Mitbewohner“ eher „Wies’n“-Besucher als Messebesucher, das verriet mir nicht zuletzt die Rückkehr der Gäste mit lautem Gesang am Sonntagabend und der völlig leere Frühstücksraum am nächsten Morgen.
Im Gespräch mit Vertretern aus München habe ich später erfahren, dass man eigentlich spätestens im Frühsommer buchen soll, um eine passable Unterkunft zu bekommen. Mein Tipp: bucht frühzeitig, vielleicht schon im Frühjahr.

Am Montag, dem ersten Tag der Messe, treffen sich dann die Politiker, Bürgermeister und „Strippenzieher“/ auf Neudeutsch „Spin Doctors“. Architekten sind auf der Messe sowieso omnipräsent in Form ihrer gebauten Werke. Jeder Messeteilnehmer wirbt für seinen Landkreis, seine Gemeinde oder sein Stadtviertel anhand von Projekten mit der Leistung unserer Mitglieder. Die Architektur steht in Form von Bauobjekten und Immobilien dabei immer im Vordergrund, der Architekt selber mit seinem Fleiß, Talent und Engagement leider zu oft im Hintergrund. Das muss man immer wieder ansprechen. Eine unendliche Geschichte. Umso wichtiger ist es, auf so einem „Marktplatz“ präsent zu sein.

Das Bundesland Sachsen hatte einen großen Stand unter dem diesjährigen Motto „So geht sächsisch.“, welches gleichzeitig den Start einer bundesweiten Werbe-Kampagne kennzeichnete. Als Mitglied des Vorstandes der Architektenkammer Sachsen habe ich die Aufgabe, die Verbindung unseres Berufs mit unserem sächsischen Messeauftritt zu pflegen. Das geht schon früh im Jahr los und „Nach dem Spiel ist vor dem Spiel“, wie man sagt. Sobald die Expo vorbei ist, wird man schon gefragt, wie der Auftritt im nächsten Jahr gemacht werden soll. Man trifft sich im Ministerium und diskutiert, wie die Resonanz des letzten Auftritts war und überlegt ein mögliches Motto für das nächste Mal.

Eine Messebeteiligung ist mit immer auch mit Geld verbunden. Je mehr man zahlt, umso mehr Platz in Form eines Standes mit Werbefläche kann man bekommen oder man erhält die Möglichkeit zur Teilnahme an einem Podiumsgespräch oder kann einen Vortrag halten. Obwohl wir als Kammer im Vergleich zum Ministerium oder großen öffentlichen Unternehmen wie SIB, Stesad oder der SAB  keinen großen finanzielle Beitrag leisten können, bin ich dennoch der Meinung, dass die Architekten an dieser Messe teilnehmen müssen, um auf diesen Marktplatz und den Forum-Charakter des Länderauftritts ein stückweit Einfluss nehmen zu können.
Trotz unseres relativ kleinen Budgets habe ich es in diesem Jahr mit dem Ministerium und dem Standgestalter VAVONA organisieren können, dass wir Architekten auf dem Messestand Sachsens eine kleine „Haltestelle“ mit unserem Logo bekommen haben. Damit hatten wir einen festen Ort, von dem aus die Vertreter der Kammer Auskunft an die Laufkundschaft geben konnten. Unsere begehrten Kalender habe ich an den einen oder anderen fachinteressieren Besucher gegen Visitenkarten eingetauscht, die wir jetzt in unsere Adressdatenbank einfügen können.

Auch unser Präsident, Herr Furkert, war auf der Messe präsent und konnte in lockerer Atmosphäre viele Gespräche mit Vertretern der Politik führen.


Man nutzt die Zeit auf der Messe aber auch, um andere Kammerauftritte zu besuchen und einen Austausch über aktuelle Themen wie Öffentlichkeitsarbeit, die Tätigkeit der Berufskollegen oder zum Beispiel auch über unser Büroverzeichnis zu sprechen. Es ist hilfreich, wenn man mitbekommt, dass Letzteres ein Thema ist, das in allen Bundesländern heiß diskutiert wird und man besondere Geduld an den Tag legen muss, ein solches Verzeichnis auf den richtigen Weg zu bringen. Das inspiriert und gibt Kraft.

Weiterhin gehören natürlich Vorträge zu jedem Messeprogramm. Dieses Jahr hat unsere Kollegin, Frau Nadine Merkla, einen sehr informativen Fachvortrag zu einem hochaktuellen Thema  gehalten: „Vergleich LEED und DGNB“ am Beispiel des Bauprojektes Neubau Bürogebäude der VON ARDENNE GmbH, dass Sie mit den Kollegen Herrn Martin Fink und Herrn Björn Griemberg von der IPROconsult Gmbh geplant hat. Darin wurde unsere Kompetenz gegenüber der Bau-Szene sehr deutlich.

Ich selbst habe einen Fachvortrag zum Thema „Einfamilienhaus und Stadt“ gehalten, zum Verhältnis von Stadt/urbanem Raum und Einfamilienhäusern. Menschen wollen heute wieder verstärkt in der Stadt wohnen (Freizeit, Kulturangebote nutzen, Dienstleistungsnähe). Dennoch sind ihnen Selbstbestimmtheit und individueller Lebensstil wichtig, was seinen Ausdruck auch in ihrer unmittelbaren baulichen Umgebung finden soll. Und sie wollen nach wie vor gern ihre eigenen vier Wände. Die Stadt bietet dafür eingeschränkten Raum – z. B. Ecken, kleine Flächen, schwierige Profile, Restgrundstücke.
Um beide Seiten miteinander zu vereinen, müssen passende individuelle bauliche Antworten gefunden werden. Das macht das Einfamilienhaus in der Stadt ganz klar zu einem Thema vorrangig für uns Architekten. Im ersten Teil des Vortrages habe ich erläutert, wie Städte sich entwickeln und angesprochen, dass Städte als Gesamtwerke betrachtet werden können,  die von ihrer Vielfalt leben und in diesen Sinne für eine moderne pluralistische Gesellschaft auch eine Vielfalt an Wohnmöglichkeiten anbieten müssen, auch Einfamilienhäuser. Diese allerdings mit städtischem Charakter; kein vom Bauträger gebautes Landhaus oder ein  bayerisches Fertighaus. Dabei sind Architekten, Stadtplaner, Investoren und Politiker gefragt, zusammen zu agieren.

Wie sind die individuellen Bedürfnisse einzelner Menschen oder Familien vereinbar mit beschränktem Raum bzw. mit Grundstücken, auf denen eine Standard-Investorenlösung nicht möglich ist? Wie gehen wir damit um, dass Familien sich im Wandel der Generationen verändern? Gefragt sind vorausschauende Lösungen, Architektur, die flexible Anpassungen ermöglicht. Hierbei geht es auch um die Frage des Wiederverkaufswertes der Häuser und nicht zuletzt um die Revitalisierung von Brachflächen und die Entwicklung von Einzelgrundstücken oder Ensembles im städtebaulichen Zusammenhang, so dass am Ende die Stadt und der Einzelne davon profitiert. Auch der Individual-Verkehr ist hierbei ein ganz großes Thema. Welche Lösungen gibt es? Was sind die Alternativen?

Interessant und lehrreich ist die Erkenntnis, dass wir als Architektengemeinde mit unserer Sicht der Dinge manchmal zu passiv sind. Wir glauben, dass ein Verständnis für Baukultur eine Selbstverständlichkeit ist, dass wir führend sind in der Umsetzung und an der zentralen leitenden Stelle sitzen. Aber die Realität tritt auf solch einer Messe sehr deutlich zu Tage: Die Immobilienwelt, die Investoren planen und bauen ohne uns Architekten, wenn wir ihnen das Feld überlassen. Wir sind nur ein kleiner Teil ihrer Welt. Sie bauen weiter mit und/oder ohne uns. Das ist jedes Mal erschreckend und ernüchternd, aber es ist realistisch.
Umso wichtiger ist es an dieser Stelle auf die Menschen zuzugehen und Lobbyarbeit zu betreiben, die uns ins Gespräch bringt. Die Botschaft muss sein: Wir sind wichtige Partner für die Bürger, Politiker und Investoren.
Zum Beispiel mit neuen Dienstleistungen wie LEED, aber auch mit unserer Kreativität, schwierige Grundstücke/ innerstädtische Brachflächen umzuwandeln, mit unseren sozialen Kompetenzen, unserer Weitsicht, Ökologie und Qualität betreffend, unserer visionären, aber pragmatischen Denk- und Arbeitsweise sowie unseren menschlichen und baulichen Qualitäten. Städte und Gemeinden brauchen uns, Bauherrn und Investoren brauchen uns. Auch wenn sie oft ohne uns agieren, weil sie nicht ausreichend informiert sind, wo wir uns einbringen können, z. B. innerhalb der an Bedeutung zunehmenden „Phase 0“,  als Vermittler und Aufklärer in Bezug auf die Vorhaben und was es Nutzern, Bürgern und Politikern für Vorteile bringen könnte, uns frühzeitiger und breiter zu involvieren. Bauen ist heute viel mehr, als  Stein auf Stein zu setzen. Bauen ist Kommunikation, im weitesten und tieferen Sinne des Wortes.

Diese Art Lobbyarbeit für den Beruf bringt nicht sofortige Wirkung. Aber es ist mittel- bis langfristig enorm wichtig, unsere Präsenz auf dem „Marktplatz“ zu bewahren, um unsere Arbeit für die Zukunft und für die nachkommenden Generationen zu erleichtern. Wenn wir das nicht tun, baut die Bau-Szene ohne uns weiter.

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