Chemnitz: Stadträte unterstützen Pläne für Stasi-Gedenkort am Kaßberg
Fraktionsübergreifend Zustimmung für Vorhaben
Chemnitz. Roland Jahn gehört zu den flammendsten Befürwortern der Idee, im ehemaligen Gefängnis auf dem Kaßberg eine Gedenkstätte einzurichten. Bei der Vorstellung der Pläne am Samstag in der Außenstelle seiner Behörde an der Jagdschänkenstraße warb der ehemalige Bürgerrechtler und jetzige Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen (BStU) erneut für das Projekt. "Das Gebäude ist nicht nur einer der authentischsten Orte für geschehenes DDR-Unrecht, sondern in seiner Rolle als Abschiebestation für vom Westen freigekaufte, politische Häftlinge auch einzigartig", sagte Jahn.Die Gedenkstätte, das sehen die Pläne des Dresdner Architekten Ruairí O'Brien vor, soll im ehemaligen sogenannten Trakt B an der Hohen Straße eingerichtet werden. In diesem wurden DDR-weit Häftlinge für den Freikauf zusammengeführt, von hier starteten die Transporte in den Westen. Nach den Worten von Clemens Heitmann, dem Vorsitzenden des Vereins Lern- und Gedenkort Kaßberg und gleichzeitig Leiter der BStU-Außenstelle Chemnitz, seien bis 1989 rund 30.000 Menschen in die BRD gebracht worden und dafür etwa 3,5Milliarden D-Mark in die DDR geflossen. "Ich wünsche mir einen Ort, der Gedenken und Lernen miteinander verbindet und der sich durchaus auch aktuellen Themen widmen kann, wie zum Beispiel den Situationen in Nordkorea oder Syrien. So etwas fehlt in ganz Chemnitz", so Heitmann.
Vertreter der Chemnitzer SPD, CDU und Bündnisgrünen betonten am Samstag, das Vorhaben unterstützen zu wollen. Das will auch die FDP, die niemanden geschickt hatte, was laut Fraktionsgeschäftsführer Eduard Jenke aber nur ein Terminproblem gewesen sei. Für die Linke war Thiemo Kirmse vom Stadtverband dabei, der auch Mitglied der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) ist. Er mahnte, bei der Einrichtung der Gedenkstätte den Zeitraum von 1933 bis 1945 angemessen zu berücksichtigen. Während dieser Zeit war das Gefängnis von den Nationalsozialisten genutzt worden. "Uns geht es nicht um Gleichsetzung, aber um Gleichbehandlung", so Kirmse.
Um den fraktionsübergreifenden Wunsch nach der Einrichtung der Gedenkstätte formal zu untermauern, soll der Stadtrat dazu nun einen Beschluss fassen. Das jedenfalls forderte Siegfried Reiprich, der Geschäftsführer der Stiftung Sächsische Gedenkstätten. Doch auf den Weg bringen muss das Vorhaben letztlich der Sächsische Landtag. Der hatte dies im November 2011 zwar bereits beschlossen. Doch im aktuellen Entwurf des neuen Gedenkstätten-Stiftungsgesetzes, das im Sommer bestätigt werden soll, taucht das Kaßberg-Gefängnis nicht auf. "Die finanzielle Förderung des Vorhabens ist deshalb weiter offen" so Reiprich.
Dass der Freistaat das Gebäude verkaufen möchte, steht den Plänen nach Einschätzung von Gedenkort-Vereinsmitgliedern nicht entgegen. Laut Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement (SIB) gebe es bereits einen konkreten Interessenten, der das Gebäude für Wohnzwecke umbauen möchte. Dieser sei bereit, die Gedenkstätte im Objekt auf der Basis eines Mietvertrages mit unterzubringen - ebenso wie die aktuell in der Jagdschänkenstraße ansässige BStU-Außenstelle. Diese möchte ebenfalls auf den Kaßberg umziehen.
Von der königlichen Haftanstalt zum Stasi-Gefängnis
Im Jahr 1886 wurde das Gefängnis auf dem Chemnitzer Kaßberg als Königlich-Sächsische Gefangenenanstalt gegründet. Als sogenanntes Panoptikum konzipiert, konnte das Aufsichtspersonal vom zentralen Rundbau aus alle drei übereinanderliegenden Zellengalerien beobachten. Während des Nationalsozialismus waren in der Einrichtung ein Gerichtsgefängnis sowie eine Strafvollzugsanstalt untergebracht. Nach dem Zusammenbruch der NS-Herrschaft nutzten sowjetische Besatzungsbehörden die Anlage, über die genaue Form der Nutzung gibt es heute allerdings kaum noch Kenntnisse. Die Geschichte des Komplexes als Untersuchungshaftanstalt der Staatssicherheit (Stasi) begann 1957. Sie hatte schon drei Jahre zuvor zu diesem Zweck ein Gebäude an der Hartmannstraße 24 betrieben. Die Abwicklung der Entlassung der freigekauften Häftlinge in die BRD begann 1967. Die Hauptgründe dafür waren einerseits die hohe Kapazität des Gefängnisses mit 370 Haftplätzen, andererseits die geringe Entfernung zur Staatsgrenze mit der Bundesrepublik.http://www.freiepresse.de/NACHRICHTEN/TOP-THEMA/Chemnitz-Stadtraete-unterstuetzen-Plaene-fuer-Stasi-Gedenkort-am-Kaszberg-artikel7974569-1.php
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