Tuesday, May 8, 2012

Kaßberg-Gedenkstätte: Entwürfe liegen vor - Ruairí O'Brien


Freie Presse
Donnerstag, 3. Mai 2012
VON JÜRGEN WERNER

Sogar ein Neubau auf dem Gelände des ehemaligen Stasi-Gefängnisses ist denkbar. Priorität soll aber die Erhaltung jenes Teils haben, in dem die Häftlinge vor dem Transport in die BRD einst zusammengeführt wurden
 

Einen Ort, der Gedenken und politische Bildung miteinander verbindet: Das wünscht sich der Verein „Lern- und Gedenkort Kaßberg“ innerhalb der Mauern der einstigen Stasi-Haftanstalt. Verantwortlich für den ersten Entwurf ist der irische Architekt Ruairí O’Brien, der in Sachsen bislang unter anderem das Dresdner Erich Kästner Museum konzipiert und den historischen Obermarkt in Freiberg neu gestaltet hat. Das von O’Brien vorgestellte Modell sieht dabei einen kreisförmigen Neubau an der Südseite des Gefängnisses vor. Dieser wäre von innen ausschließlich vom sogenannten Trakt B aus (in der Grafik blau eingefärbt) zugänglich, in dem die eigentliche Gedenkstätte eingerichtet werden soll: Hier wurden die von der BRD freigekauften Häftlinge – insgesamt 30.000 bis 1989 – vor ihrem Abtransport zusammengeführt. Für größtmögliche Authentizität soll der Trakt deshalb, von Sicherungsmaßnahmen abgesehen, unverändert bleiben. In dem teilweise unterirdischen Neubau, für den laut O’Brien zwei östlich angrenzende, eingeschossige Gebäude weichen müssten, sollen Räume für Ausstellungen, Lesungen und Seminare geschaffen werden. Denn das ist der ausdrückliche Wunsch des Vereins. „Wir wollen Gedenken und Lernen miteinander verbinden und auch immer wieder Veranstaltungen zu aktuellen politischen Themen durchführen“, so Vereinschef Clemens Heitmann.
Als Alternative zum Neubau könnten auch das westlich an den Trakt B angrenzende Zentralgebäude des Gefängnisses, die sogenannte Rotunde, sowie das einstige Eingangsgebäude davor für den künftigen Zweck umgebaut werden. „Hier stünde mehr Platz zur Verfügung, allerdings wäre der Lern- und Gedenkort nicht in sich abgeschlossen und man müsste sehen, wie das mit den Plänen des künftigen Besitzers harmoniert“, so O’Brien. Ein dritter von dem Architekten erstellter Entwurf bezieht schließlich die Außenstelle der Stasi-Unterlagen- Behörde (BStU) mit ein. Die ist derzeit an der Jagdschänkenstraße in Siegmar ansässig, würde aber lieber heute als morgen umziehen. „Die Lage am Stadtrand ist ein großes Problem, ebenso wie das gegenwärtige Gebäude selbst, das für die Unterbringung unserer insgesamt acht Kilometer langen Akten klimatisch nicht geeignet ist“, so Clemens Heitmann, der neben dem Verein auch der Außenstelle vorsteht. Ergo: „Wir wollen mit unseren authentischen Unterlagen an den authentischen Ort zurück“. Favorit für die Ansiedlung der Behörde ist nach den Architektenplänen das östliche Gefängnis-Gebäude an der Hohen Straße. „Aus meiner Sicht ist aber auch der Neubau geeignet, um die Akten unterzubringen“, so O’Brien, der seine Entwürfeals Visionen verstanden wissen will. Bis auf die Gedenkstätte im Trakt Bist überhaupt noch nichts konkret. Denkbar sind aus meiner Sicht deswegen durchaus auch Kombinationen der einzelnen Vorschläge“, sagt der Architekt.

Derzeit befindet sich das Kaßberg-Gefängnis noch im Besitz des Freistaates, der das Objekt aber verkaufen

möchte. Laut dem Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement (SIB) gebe es einen Interessenten, der den Großteil des Komplexes für Wohnzwecke umbauen möchte. Dies bestätigte Vereinschef Clemens Heitmann gestern, ohne den Namen des möglichen Investors preisgeben zu wollen. In der kommenden Woche, so Heitmann weiter, sollen aber Verhandlungen stattfinden.


Die Gedenkstätte könnte seitens des Freistaat auch institutionell gefördert werden. Voraussetzung dafür ist, dass sie im neuen Gedenkstätten-Stiftungsgesetz auftaucht, das der Landtag im Sommer verabschieden will. In dessen aktuellem Entwurf ist das Kaßberg-Gefängnis nicht zu finden. Um doch noch auf die Liste zu kommen, soll der Chemnitzer Stadtrat einen entsprechenden Beschluss fassen – dies würde nach Ansicht der Stiftung Sächsischer Gedenkstätten den Wunsch nach dem Gedenkort gegenüber dem Land untermauern.

http://www.ruairiobrien.de/

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